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Na, so ganz alleine? - Frauensegeln auf der Ostsee
Bart, graue Haare, Pfeife, Steppweste, viel zu weite Jeans und die Ruhe selbst: So sieht der typische Segler aus. Nur jedes sechste Mitglied einer deutschen Segler Crew ist eine Frau. Das besagen die Zahlen des deutschen Seglerverbandes. 1994 war Ines Jochmann eine der ersten deutschen Skipperinnen, die auf ihrem Boot Segeltörns ausschließlich für Frauen angeboten hat.
Leise rattert der Motor. Die Bruden bewegt sich schleichend von Tonne zu Tonne der Hafenausfahrt entgegen. 15 Meter
Segelyacht suchen sich den Weg durch das trübe Ostseewasser. Die Crew, fünf Frauen, genießt auf Deck die warme Maisonne und den
Ausblick auf die alten Backsteinbauten des Wismarer Hafens. Die Skipperin ist unter Deck und berechnet den Kurs für den ersten Törn
nach Travemünde. 25 Seemeilen, mehr haben sie sich nicht vorgenommen, denn der Wind ist schwach und die Crew hat keine Segelerfahrung.
Bei Tonne 19 kommt ein anderes Segelboot im Fahrwasser entgegen. Die Frauen an Bord kennen bereits den Seemannsbrauch. Man grüßt ich unter Seglern.
Wie so oft bei Freizeityachten ist die Besatzung hier fast ausschließlich männlich. Sie sind freundlich und scherzen: "Na, so ganz alleine?" lautet der Zuruf vom
anderen Boot. Die fünf Frauen auf Deck schauen sich an und fallen in schallendes Gelächter. Typisch!
Frauen, die ohne Männerbegleitung segeln, sind eine Rarität auf der Ostsee. Die Steuerräder der Freizeityachten sind fest in männlicher Hand.
Einbruch in eine Männerdomäne
Genau das wollte die Jungunternehmerin, Ines Jochmann, ändern. Nach zahllosen Segeltörns in Männerbegleitung war ihr der Spaß am lautlosen
Wassersport fast vergangen. Viele Faktoren trugen zu ihrem Entschluß bei: Skipper, die eine Crew autoritär im Militärstil kommandieren, männliche
Crewmitglieder, die durch ihren Leichtsinn die Sicherheit an Bord gefährden, und das Gefühl, letztlich nie das Ruder in der Hand zu haben.
"Segeln für Frauen". Besessen von dieser Geschäftsidee machte sich Ines Jochmann auf die Suche nach einem geeigneten Boot.
Gar nicht so einfach für einen Landmenschen, der kaum Kontakte zur Küste hat. Auf ihrem Weg begegnete sie arroganten Werften, dubiosen Beratern,
die ihr väterlich zur Seite stehen wollten, und Handwerkern, die schlampige Pfuscharbeiten ablieferten. Dennoch, nachdem sie die "BRUDEN"
entdeckt und gekauft hatte, umschiffte Ines Jochmann all diese Klippen.
Die "BRUDEN" - eine richtige Rennziege
Die "BRUDEN", eine 15-Meter Yacht skandinavischer Herkunft war ideal für ihre Zwecke. Der eigenwillige Voreigentümer hatte beim Innenausbau
wirklich jeden Winkel genutzt und so Platz und Stauraum für bis zu zehn Passagiere geschaffen. Eine Seltenheit für Segler dieser Größe. Mit ihrem Tiefgang
von 2.90 Meter ist das Schiff kentersicher. Bei all dem Komfort ist die "BRUDEN" dennoch so sportlich geschnitten, dass sie bei gutem Wind ihre
9 Knoten läuft: eine richtige Rennziege also.
Fast jeden Sonntag trifft auf der "BRUDEN" eine neue Besatzung für einen einwöchigen Segeltörn aufeinander. Gemeinsam mit einer Co-Skipperin
führt die studierte Pädagogin die neuen Gäste ein. Die Mitseglerinnen sollen sich wohl fühlen, Vertrauen in ihre Fähigkeiten bekommen und Spaß in der Gruppe haben.
Die meisten Gäste auf dem Boot sind berufstätige Frauen. Sie kommen aus den verschiedensten Lebenszusammenhängen auf die "BRUDEN"
Einige wollen nur nicht alleine verreisen, andere sind jahrelang mit ihren Ehemännern gesegelt und wieder andere wollten schon immer mal Segeln
lernen.
Wenn Piratinnen ein Butterschiff entern
Der erste Gang auf die "BRUDEN" ist für fast alle Frauen mit Unsicherheit verbunden. Ängstlich steigen die mit Gepäck beladenen Gäste
über die Reling. Doch schon bald fühlen sich die Frauen wohl wie ein Fisch im Wasser. Ganz nach Lust und Talent übernehmen sie die verschiedenen Aufgaben beim
An- und Ablegen und auf See. Schnell sind die Kommandos für's Segelsetzen, Wenden und Halsen selbstverständlich. Das größte Erlebnis ist für die meisten
das Steuern. Einmal selbst hinter dem 1.50 Meter hohen Steuerrad zu stehen und den Weg der "BRUDEN" durch Wasser und Wind in der eigenen
Hand zu halten. Das ist eine Erfahrung für's Leben.
Wenn die Crew dann am Ende einer Woche wieder zurück nach Neustadt schippert, hat sich an Bord meist eine verschworene Gemeinschaft gebildet.
Selbsterfahrung, Sport, Spaß und das Erlebnis mit der Natur voranzukommen statt gegen sie, haben das Gruppenleben geprägt. Spätestens am letzten Abend,
werden bereits die nächsten Törns geplant. Und dann - werden sie ganz bestimmt als Piratinnen ein Butterschiff entern, und
das "so ganz alleine".
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